anonymer EU-weit offener Wettbewerb
Dietmar Moser
Matthias Seyfert
Marco Stummer
Jörn Besser (Rendering)
Erfurth+Partner (Statik)
11|2009
Aufgabe des Wettbewerbes war der Entwurf einer Fussgänger- und Radfahrerbrücke welche den Wienfluss überspannt und wegen im Donaukanal wendender Schiffe und des Hochwassers des Wienflusses beweglich sein soll. In bedeutender Lage zwischen Urania und Radetzkybrücke wird die Lücke im städtischen Fuß- und Radwegnetz mit einer neuen Schubbrücke geschlossen. In bewusster Nähe zur Radetzkibrücke, jedoch wesentlich tiefer liegend als diese, sichert die neue Brücke zum einen den Blick auf die historischen Bauwerke und erhält gleichzeitig die Großzügigkeit der Mündung des Wienflusses in den Donaukanal.
Die geringe Spannweite und das statische günstige System des Zweifeldträgers minimieren die Brückenhöhe. Die leichte Verdrehung zur Radetzkybrücke optimiert die Wegführung und Anbindung an die bestehende Kaimauer. Die Fachwerkträger sind netzartig aufgelöst. Eine zeitgemäße, unaufgeregte Erscheinung wird realisiert. Dezente Effektbeleuchtung im Duktus der pendelnden Stäbe spiegelt sich im Fluss. Die Brückenfahrbahn wird von einem linearen Lichtband am Obergurt beleuchtet. In Aughöhe angebracht, sichert es optimale Sichtverhältnisse. Anfallendes Oberflächenwasser wird zum bestehenden Abwassernetz an den Kaimauern geführt. Um den Schiffsverkehr nicht zu stören und um das Hochwasser zu überstehen, kann die Brücke in einen Tunnel verfahren werden. Das Konzept für die Mechanik einer Schubbrücke lt. vorliegendem Entwurf sieht vor, daß das Brückentragwerk (Steg) im Bedarfsfall in seiner Längsrichtung komplett aus dem Bereich der Wienflussmündung verfahren werden kann und zwar entweder in die Parkzone (s. Bereich »B«) oder weiters in die Schutzzone (s. Bereich »C« ). Dabei dient Pos. »B« der Aufnahme des Brückentragwerks aus der Funktionszone (s. Bereich »A«) zwecks Freimachung der seitens der Flußschifffahrt im Bedarfsfall benötigten Wendefläche für Schiffe in der Wienflussmündung, Pos. »C« bewirkt den Schutz des Brückentragwerks im Hochwasserfall wie auch die Vermeidung des übermäßigen Anschwemmens von Treibgut infolge evtl. Strömungswiderstand von Tragwerksteilen im Überflutungsbereich. Das Verschieben des Brückentragwerks erfolgt mittels zweier kompakter ortsfester Verschubeinheiten »VE I« und »VE II«, welche das Brückentragwerk jeweils zwischen den Zonen »A« und »B« bzw. »B« und »C« in beiden Richtungen verschieben können. Die Parkzone »B« fungiert dabei als Übergabebereich zwischen den Einheiten »VE I« und »VE II«. Die Verschubeinheiten bestehen - ungeachtet gewisser Unterschiede in ihren Geometrien - jeweils aus den Baugruppen Tragwerk, Fahrwerk und Antrieb.
Die geplante Brücke, aus vorgefertigten Teilen bestehend, muss statisch gesehen die Eigenschaften eines Zweifeldträgers während der Nutzung erfüllen und während des Schubvorganges als Kragträger fungieren. Der Schubvorgang auf dem Festland wird über kontinuierlich angeordnete Rollenlager realisiert, sodass auf aufwendige Gründungen verzichtet werden kann und geringe Verformungswege entstehen. Um diesen unterschiedlichen Tragwerksansprüchen nachzukommen, wird die Brücke mit zwei parallel zueinander liegenden Fachwerkträgern konzipiert, welche über den Brückenboden biegesteif miteinander verbunden und zusätzlich stabilisiert werden. Der Brückenquerschnitt wird als oben offener biegesteifer Trog geplant. Zur Erreichung der notwendigen Torsionssteifigkeit werden die Hauptprofile der Brücke als geschlossene Kastenprofile mit biegesteifen Knotenverbindungen vorgesehen.
Die Fahrwerke sind jeweils ortsfest und dienen der Aufnahme der statischen und dynamischen Lasten des Brückentragwerks, solange sich dieses im Bereich der jeweiligen Verschubeinheit befindet. Um die Beweglichkeit und sichere Führung des Brückentragwerks in jeder Lage zu gewährleisten, besteht das Fahrwerk aus mehreren zweckmäßig angeordneten Paaren von Schwerlastrollen, welche die vertikal nach unten gerichteten Kräfte aufnehmen, sowie einem Paar Zugrollen oben im Portal, welche die ggf. auftretenden Kippmomente aufnehmen und ein partielles Abheben des Brückentragwerks verhindern. Die Auslegung der Schwerlastrollen, ihrer Lagerungen sowie der auf diesen abrollenden Tragschienen oben und unten am Brückentragwerk erfolgt wegen der geringen Verfahrgeschwindigkeiten (max. 1,5 m/s) unter Berücksichtigung der Normen für Kranbaugruppen in Abhängigkeit vom auskonstruierten Entwurf des Brückentragwerks. Hinsichtlich der konkret einzusetzenden Fabrikate ist zu sagen, daß es aus der Fertigung von Maschinenbaukomponenten ein breites Angebot von Schwerlastrollen als Normteile verfügbar ist, so daß die Fahrwerke der Brücke auf alle Fälle robust und trotzdem preiswert bestückt werden können. Für den Hochwasserfall sind die Rollen als geschlossene Systeme ausgeführt.
Die Verschubeinheiten enthalten jeweils einen steuerbaren elektrischen Antrieb, welche zwecks ruckfreier Übergabe des Brückentragwerks gegeneinander synchronisiert sind und durch eine übergeordnete Steuerung angesteuert werden. Die Antriebe sind durch folgende Eigenschaften charakterisiert:
a. Als Motoren sind 3phasige Standard-Asynchronmotoren vorgesehen, die lebensdauergeschmiert und zum Schutz gegen Hochwasser umbaut bzw. gekapselt sind.
b. Das Überfahren der Endlagen durch das Brückentragwerk wird durch entsprechende Endlagenschalter verhindert, im übrigen erfolgt das Anfahren bzw. Abbremsen aus bzw. in die Endlagen rampengesteuert, d.h. mit linearem Geschwindigkeitsverlauf.
c. Gegen Ausfall der zentralen Energieversorgung gibt es zwei Rückfallebenen:
- zum einen ist ein autonomes Notstromaggregat vorgesehen,
- zum anderen gibt es zwecks händischer Brückenverschiebung Kurbelantriebe über entsprechende Getriebe, falls auch das Notstromaggregat versagt.
d. Die sichere und reproduzierbare Positionierung des Brückentragwerks über den gesamten Verfahrbereich wird durch eine formschlüssige flexible Anbindung an den eigentlichen Antrieb mittels Schwerlastzahnriemen gewährleistet (s.u. Prinzipskizze aus einem Herstellerprospekt). Diese Zahnriemen gewährleisten wegen ihrer inneren Dämpfungseigenschaften einen sehr gleichmäßigen und geräuscharmen Lauf des Stegs, weisen aber wegen der innenliegenden Bewehrung mittels Stahl- bzw. Glasfaserseilen auch eine hervorragende mechanische Stabilität sowie hohe Standzeiten auf. Darüber sind diese absolut feuchtigkeitsunempfindlich, was im Hinblick auf eine mögliche Überflutung der Anlage wichtig ist.
Im Endzustand lagert die Brücke auf beiden Seiten des Flusses auf, sodass ein Träger auf zwei Stützen entsteht. Beide Auflager werden in diesem Zustand als Drucklager beansprucht. Im Schubvorgang verlässt der Brückenträger das rechte Auflager und kragt frei aus. Die Sicherung der Brücke erfolgt über ein Zugportal. Hierbei entstehen auf das Portal wirkende Zugkräfte. Der vertikale Lastabtrag im Bereich der Drucklager erfolgt über Druckpfähle, während die Zugkräfte im Bereich des Portals über Zugpfähle in den Baugrund eingetragen werden. Der vorhandene Düker wird mit einem Lastverteilerbalken überspannt, sodass diese von den Gründungsmaßnahmen nicht gestört wird. In wie weit dabei die vorhandene Bohrpfahlwand des Dükers für diese Lastabtragung mit heran gezogen werden kann, ist im Einzelfall zu prüfen.
Durch Anforderung weiterer Unterlagen bei der »Wien Energie« und genauer Recherche der bestehenden Einbauten unter der Oberen Weißgerberstraße wurde der Tunnel möglich. Es ergibt sich ein Korridor über Fernwärmeleitung neu, über den Kanälen im Flussbereich und über dem Abwasserkanal der Oberen Weißgerberstraße hindurch. Abwasserkanäle wie Verkehr dürfen dabei auch nicht nur kurzzeitig unterbrochen werden. Der Rohrvortrieb im Teilschnittverfahren mit rechteckigem Querschnitt ist dafür das optimale Verfahren. Rechteckige Rohrsegmente werden hydraulisch unter die Straße gepresst. Ein Wiederlager nimmt die enormen Kräfte auf. Dafür werden die Bohrpfähle der neuen Brücke mit Zugankern versehen. Ein im Rohr stehender Minibagger schaufelt den Abraum auf ein Förderband. Das erste rechteckige Tunnelsegment ist aus Stahl, die weiteren Segmente sind aus Beton. Abraum wie Tunnelzubehör kann über den Donaukanal aber auch auf der Straße (Größe der Segmente 2,7m/5,7m/1,5m) geliefert werden.